• Ein Blog von Alexandra Endres

Ein Wahlsieg für Francia Márquez

Jun 22

Kolumbien hat einen neuen Präsidenten gewählt. Der offizielle Sieger dieser Wahl ist Gustavo Petro (der hier im Spiegel von Jens Glüsing nuanciert porträtiert wird, leider nur mit einem Spiegel-Abo lesbar).

Warum schreibe ich „offizieller Sieger“? Natürlich ist es Petro, der für das Präsidentenamt kandidiert hat und gewählt wurde. Aber ich glaube: Ohne Francia Márquez hätte er es nicht geschafft. Sie hat gemeinsam mit Petro kandidiert und ist jetzt seine Vizepräsidentin – die Repräsentantin der „Niemande“ Kolumbiens, die nun eine Stimme in der Regierung haben. Sie hat die Menschen vor allem in den ländlichen Regionen, die oft vom Staat vergessen sind und besonders stark unter der Gewalt leiden, mobilisiert.

Kolumbiens Frieden in Trümmern

Okt 12

Drei Jahre ist es her, dass der Frieden in Kolumbien greifbar nah schien. Damals schloss die Regierung, noch unter Präsident Juan Manuel Santos, mit der Farc-Guerilla einen Friedensvertrag. Der war zwar hoch umstritten, doch nach fünf Jahrzehnten Bürgerkrieg schien er die Möglichkeit eines gewaltfreien Zusammenlebens zu eröffnen. Die Gewalt aber war nie ganz verschwunden – und gerade kehrt sie mit Macht zurück.

Die Zahl der Morde an lokalen Aktivisten, die sich für die Umwelt, die Menschenrechte und den Friedensprozess engagieren, steigt. Die Zahl der Massaker ebenfalls. Alke Jenss, die am Arnold-Bergstraesser-Institut in Freiburg zur Sicherheitslage in Kolumbien forscht, sagt: Der Staat lässt die Gewalt zu. Manchmal verursacht er sie aber auch, oder er übt sie direkt selbst aus.

Zum Beispiel im vergangenen September, als in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá ein Mann in Polizeigewahrsam ums Leben kam. Der 46-jährige Javier Ordóñez starb, nachdem Polizisten ihn mit einem Elektroschocker malträtiert und geschlagen hatten. Angeblich hatte Ordóñez, ein Familienvater, der Anwalt werden wollte, die Ausgangssperre missachtet. Er soll an Kopfverletzungen gestorben sein.

Corona und Kolumbiens Frauen

Apr 27

Die Pandemie trifft Frauen oft härter als Männer. Darüber schreibt Die ZEIT in ihrer aktuellen Ausgabe:

Männer wie Frauen leiden unter Krisen wie der Corona-Pandemie. Aber ihre ökonomischen und sozialen Folgen treffen Frauen fast immer härter. Das war so nach der Ebola-Epidemie in Westafrika, das war so nach der globalen Finanzkrise. Werden Ressourcen und Arbeit knapp, verlieren Mädchen ihren Platz in der Schule und Frauen Job und Einkommen. Wer Letzteres für ein Phänomen armer Gesellschaften hält, der sei an die vergangene Woche hier in Deutschland erinnert.

Elisabeth Raether, „Die Krise der Frauen“, Die ZEIT No. 18/2020, S. 8

Ich habe einen kurzen Text über die Frauen in Kolumbien beigesteuert. Weil in so einer Sammlung, die ein Panorama über die ganze Welt hinweg entfalten soll, aber naturgemäß wenig Platz für das einzelne Land ist, gibt es hier eine längere Fassung meines Stücks:

Meine Bücher: Auf Reisen durch Mexiko und Kolumbien

Nov 20
Buchcover Niemand liebt das Leben mehr als wir und Wer singt erzählt wer tanzt überlebt

Mexiko ist viel mehr als der Drogenkrieg, von dem hier alle wissen. Das habe ich auf meiner Reise durchs Land im Sommer 2018 erfahren. Zwei Monate lang war ich unterwegs: vom Urlauberparadies Cancún bis zum Grenzzaun in Tijuana.

Auf meiner Reise habe ich Musiker getroffen und Dichterinnen, die Geschichten in alten Sprachen erzählen. Weise Männer, die in vermeintlich katholischen Kirchen seltsame Riten praktizieren. Umweltschützer, die für ihr Anliegen ihr Leben risikieren, verzweifelte Mütter, die nach ihren verschwundenen Kindern suchen, Migranten aus Mittelamerika, die eine gefährliche Reise durch Mexiko auf sich nehmen, um in den USA ihr Glück zu versuchen. Aktivistinnen, die im Macholand dafür kämpfen, dass Frauen sicher leben können – und noch viel mehr beeindruckende Menschen.

Ihre Geschichten erzähle ich im Buch „Niemand liebt das Leben mehr als wir“, das Ende September 2019 im DuMont Reiseverlag erschienen ist.

Am Donnerstag, den 28. November, lese ich im Rahmen der Stuttgarter Buchwochen zum ersten Mal daraus – und freue mich sehr darauf!

Außerdem von mir im DuMont Reiseverlag erschienen: Wer singt, erzählt – wer tanzt, überlebt. Eine Reise durch Kolumbien. Dafür bin ich im Jahr 2016 durch Kolumbien gereist. Eine Frage ist mir nach dieser Reise immer wieder begegnet: Wie gefährlich ist Kolumbien? Meine Antwort: Viel weniger als man hier in Deutschland so denkt. Dafür findet man in Kolumbien Musik, Gemeinschaft, Lebensfreude, eine überwältigende Natur, Traditionen.

Das sind die Basisdaten der beiden Bücher:

Alexandra Endres: „Niemand liebt das Leben mehr als wir. Mexiko – Reise durch ein Land voller Hoffnung“
Ostfildern: DuMont Reiseverlag 2019
328 Seiten – 16,95 Euro
ISBN 978-3-7701-8249-7

Alexandra Endres: „Wer singt, erzählt – Wer tanzt, überlebt. Eine Reise durch Kolumbien“
Ostfildern: DuMont Reiseverlag 2017
256 Seiten – 14,99 Euro
ISBN 978-3-7701-8284-8

Der Protest der Frauen in Mexiko: #NoMeCuidanMeViolan

Aug 23

„In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Morde an Frauen mehr als verdoppelt, heute zählt man jeden Monat 270 Femizide. Die Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs an Mädchen unter fünf Jahren haben sich mehr als verdreifacht – und das sind nur die Anzeigen. Jedes Jahr werden mehr als 11.000 Mädchen zwischen zehn und 14 Jahren schwanger, nachdem sie sexualisierte Gewalt erfahren haben. Das sind Daten aus offiziellen Quellen. Wir erleben alle jeden Tag, was sie bedeuten.“

Wo ist Bruno Avendaño?

Feb 10

Heute vor genau neun Monaten, am 10. Mai 2018, verschwand Bruno Alonso Avendaño: ein Marinesoldat aus dem Ort Tehuantepec, gelegen im Bundesstaat Oaxaca, Mexiko. Eigentlich war es ein unbeschwerter Tag, denn Bruno Avendaño hatte frei. Er fuhr nach Tehuantepec, um seine Mutter zu besuchen – und tauchte nicht wieder auf.

Bis heute gibt es keinen Hinweis darauf, was am 10. Mai 2018 mit Bruno Avendaño geschehen ist. Bis heute drängt seine Familie die Behörden, zu ermitteln. Bis heute verstehen sie nicht, was damals passiert ist und warum. Seit neun Monaten hoffen sie auf ein Lebenszeichen. Bruno ist einer von 37.000 Menschen, die in Mexiko spurlos verschwunden sind.

Lukas Avendaño ist Brunos Bruder: ein Tänzer, Anthropologe und Performancekünstler, der seine Kunst nutzt, um Aufmerksamkeit für seinen verschwundenen Bruder zu schaffen. Er drängt auf Aufklärung, wo er nur kann – auch wenn er für Auftritte im Ausland unterwegs ist: „¿Dónde está Bruno Avendaño?“ fragt er immer und immer wieder, in Interviews, auf Facebook und in seinen Performances: „Wo ist Bruno Avendaño?“.

Lukas Avendaño – Foto: Mario Patiño