Seit vergangenen Dezember wurden in Kolumbien 44 lokale Führungspersönlichkeiten ermordet: Opfervertreter, Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten, indigene Räte, Bauernführer. Zuletzt starben am 9. August Idalia Castillo Narváez aus Rosas und Fernando Asprillo aus Piamonte. Beide Orte befinden sich im Department Cauca.
Wer hinter den Morden steckt, wird in den einzelnen Fällen meist nicht ermittelt. Aber häufig scheinen es illegale bewaffnete Gruppen zu sein, die den Abzug der Farc aus bestimmten Regionen dazu nutzen, ihren Einfluss auszuweiten. Besonders umkämpft sind Gegenden, in denen der Drogenanbau oder andere Zweige der Schattenwirtschaft einträgliche Profite abwerfen – zum Beispiel Goldabbau ohne Lizenz, Waffen- oder Drogenhandel. Im Cauca ist das der Fall.
Idalia Castillo setzte sich für die Rechte der Überlebenden des Bürgerkriegs ein. Sie wurde von ihren Mördern vergewaltigt und dann umgebracht. Im Bürgerkrieg war solche Gewalt gegen Frauen häufig. Die Paramilitärs nutzten Vergewaltigungen als strategische Waffe, um ihre Gegner zu brechen und den Zusammenhalt zwischen den eigenen Kämpfern zu festigen. Auch Angehörige der Streitkräfte vergewaltigten, wenn auch offenbar nicht so strategisch. Die Farc hingegen übte sexuelle Gewalt vor allem gegen die eigenen Kämpferinnen aus, die zu Abtreibungen gezwungen wurden.
Fernando Asprillo wollte, dass die Bauern in seiner Region kein Koka mehr anbauen sollten, sondern legale Pflanzen. Offenbar kam er damit der Drogenmafia in die Quere. Drei Tage vor ihm starb Nidio Dávila im Ort Piedra Grande, Department Nariño. Auch Dávila hatte gegen den Kokaanbau gekämpft. Zeugen sagen, er sei von uniformierten Männern getötet worden, die sich als Paramilitärs ausgaben und drohten, „alle umzubringen, die von Substitution (des Drogenanbaus) sprechen“.
Es scheint, als treffe die Gewalt vor allem jene, die sich dafür einsetzen, dass der Friede allen Kolumbianern etwas bringt. Die Morde erinnern an die 80er und 90er Jahre, als schon einmal ein Versuch, die Farc aus der Illegalität zu holen, blutig scheiterte.
Aus der Guerilla und anderen Kräften entstand damals die Unión Patriótica, eine Partei, die sich auf legalem Wege für soziale Veränderungen einsetzte. Doch die Sicherheitskräfte, etablierte politische Akteure, die um ihren Einfluss fürchteten, und Mitglieder der Drogenkartelle taten sich gegen die UP zusammen und begannen, ihre Anführer zu ermorden. In den folgenden Jahren starben Tausende Menschen, unter ihnen Lokalpolitiker, Bürgermeister, Parlamentsabgeordnete und zwei Präsidentschaftskandidaten. Die UP versank in der Bedeutungslosigkeit, bis sie Jahre später – 2013 – wieder zu Wahlen zugelassen wurde.
Vor wenigen Tagen, am 10. August 2017, haben die Abgeordneten des kolumbianischen Kongresses der Toten der Unión Patriótica gedacht. Die Zeremonie werfe ein Licht auf die Verpflichtung der Parlamentarier, die Gesetzesvorhaben, die sich aus dem Friedensvertrag zwischen Regierung und Farc ergäben, zu Ende zu bringen, sagte Senator Iván Cepeda. Sein Vater, ein Kommunist und Abgeordneter der Unión Patriótica, wurde 1994 umgebracht. Doch trotz der Zeremonie: Dass nun wieder Menschen sterben, die den etablierten Interessen in die Quere kommen, zeigt, wie zerbrechlich der Frieden in Kolumbien noch ist.