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„Sie sagen, hier kann man leben“: Warum so viele Menschen aus Zentralamerika nach Mexiko fliehen

Mrz 28

Es herrscht kein Krieg in El Salvador, Honduras und Guatemala. Zumindest nicht so, wie Krieg herrscht in Syrien oder im Jemen: Es fallen keine Bomben, und keine Panzer rollen über die Straßen.

Trotzdem ist in den drei Ländern Zentralamerikas niemand seines Lebens sicher. Die Gangs kontrollieren die Region, sie handeln mit Drogen, erpressen Schutzgeld, entführen Geschäftsleute und zwingen die Söhne der Nachbarn, für sie zu arbeiten. Die Töchter sind Freiwild für sie. Wenn Eltern versuchen, ihre Kinder zu schützen; wenn irgend jemand sich wehrt, den Bossen widerspricht oder sonst einen Fehler begeht, dann wird er umgebracht – oder muss um sein Leben rennen.

Schlechte Nachrichten aus Kolumbien

Okt 18

Ein Wandgemälde in Mocoa, Putumao, erinnert an die gewaltsam umgekommenen Toten des Bürgerkriegs

Vergangenen Sommer war ich im Putumayo unterwegs, ganz im Südwesten Kolumbiens. Damals hofften die Menschen dort auf den Friedensprozess. Es war eine bescheidene Hoffnung. „Frieden, was bedeutet das?“ fragte ich fast alle, die ich traf. Die Antwort war so gut wie immer gleich: „Wir wollen in Ruhe gelassen werden. Damit wir leben, arbeiten, unsere Kinder großziehen können.“ Alles Dinge, die hier in Mitteleuropa selbstverständlich scheinen.

Es scheint, als werde sich die Hoffnung der Menschen vorerst nicht erfüllen. Vor ein paar Tagen erhielt ich eine Nachricht von einer Bekannten aus dem Putumayo. Sie erzählte mir von einer Straßenblockade abtrünniger Farc-Guerilleros, die ihre Waffen nicht abgegeben haben, im benachbarten Department Caquetá.

„Die Farc ziehen wieder Steuern von den Campesinos ein“, schrieb sie. „Für jede Kuh und jede Nutzpflanzung, die sie besitzen.“ Sie habe Angst, mehr noch als während der Zeit des Bürgerkriegs. „Damals kannte ich die Leute beider Seiten und wusste, wie weit ihr Einfluss reicht. Jetzt aber handelt es sich um sehr schlechte Menschen, die nicht zuhören und nur ihre wirtschaftlichen Interessen verfolgen.“

Wirtschaftliche Interessen? Gemeint ist das Drogengeschäft. Im Süden Kolumbiens, auf dem Land, geht es um den Anbau von Koka und den Drogenhandel.

Dies ist – sinngemäß wiedergegeben – die Nachricht:

In Kolumbien werden Aktivisten ermordet – wie schon einmal in den Achtzigern

Aug 14

Seit vergangenen Dezember wurden in Kolumbien 44 lokale Führungspersönlichkeiten ermordet: Opfervertreter, Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten, indigene Räte, Bauernführer. Zuletzt starben am 9. August Idalia Castillo Narváez aus Rosas und Fernando Asprillo aus Piamonte. Beide Orte befinden sich im Department Cauca.

Wer hinter den Morden steckt, wird in den einzelnen Fällen meist nicht ermittelt. Aber häufig scheinen es illegale bewaffnete Gruppen zu sein, die den Abzug der Farc aus bestimmten Regionen dazu nutzen, ihren Einfluss auszuweiten. Besonders umkämpft sind Gegenden, in denen der Drogenanbau oder andere Zweige der Schattenwirtschaft einträgliche Profite abwerfen – zum Beispiel Goldabbau ohne Lizenz, Waffen- oder Drogenhandel. Im Cauca ist das der Fall.

Der Frieden in Kolumbien ist tödlich

Apr 30

Zumindest für Aktivisten ist dieser Friede lebensgefährlich: Seit der Friedensvertrag zwischen kolumbianischer Regierung und Farc in Kraft getreten ist, wurden in Kolumbien Dutzende Aktivisten ermordet. Ortschaftsräte, Frauenrechtlerinnen, Umweltschützer, Bauern, die kein Koka mehr anbauen wollen – oder einfach Menschen, die, aus welchem Grund auch immer, verdächtigt werden, der Farc nahezustehen.

Es scheint, als würde die Gewalt ausgerechnet jene treffen, die sich dafür engagieren, dass der neue Friede allen Kolumbianerinnen und Kolumbianern zugute kommt.

Hier gibt es sehr wohl Liebe

Sep 8

Einst war Medellín eine Hochburg der Drogenmafia, Reich des Paten Pablo Escobar. Heute gilt sie als Vorzeigestadt. Wie der Wandel gelang? Darüber habe ich für ZEIT ONLINE geschrieben. Ich habe die Comuna 13 besucht, früher eines der berüchtigsten Viertel der Stadt. Hier hatte die Farc ihre Basis, hier entfesselte der damalige Präsident Álvaro Uribe die

Ein Rhythmus für Babys, so einfach. Nur nicht einfach für mich

Sep 4

Tak-ta-tak-tak. Klar, das ist ein total einfacher Rhythmus. Fácil. Simple. Was für Babys. Aber ich krieg ihn nicht hin. David schaut mich zweifelnd an, dann schlägt er noch einmal auf die Tischkante: Tak-ta-tak-tak. Mit flacher Hand, mit gekrümmter Hand, mal fest, mal sanft, mal nah an der Kante, mal voll auf die Tischplatte.

Jeder Schlag klingt anders, klar, das kann ich hören. Aber das reproduzieren? Als rhythmisch im Vergleich zu einem siebenjährigen afrokaribischen Jungen, der mit Trommeln, Tänzen und Gesängen aufgewachsen ist, sagen wir: ziemlich untrainierte Mitteleuropäerin? Es ist hoffnungslos. Ich setze trotzdem an. Tak-ta-tak-tak. David schaut zweifelnd. Die andern am Tisch sind amüsiert.

Kolumbiens Koka-Produktion wächst

Jul 11

Kolumbiens Bauern haben im vergangenen Jahr ihre Koka-Felder mächtig ausgebaut. Die Anbaufläche liegt jetzt insgesamt bei 96.000 Hektar, sagen die Vereinten Nationen. 2014 waren es noch 69.000 Hektar.

Schuld daran ist nicht unbedingt die große Nachfrage. Viele Bauern entscheiden sich für Koka, weil sie hoffen, dass Regierung und Farc-Guerrilla ihren Friedensvertrag bald unterzeichnen. Dann könnten die Behörden ihnen den Wechsel zu legalen Feldfrüchten mit Subventionen versüßen.

Wird El Chapo wirklich ausgeliefert?

Jan 12

Am Wochenende hieß es noch, schon im Februar könnte Joaquín „El Chapo“ Guzmán vom mexikanischen Hochsicherheitsgefängnis Altiplano in eine US-Anstalt überstellt werden. Von dort wäre eine Flucht wohl kaum mehr möglich; weder durch Tunnel noch mit der Hilfe bestochener Wächter. Und auch das Leben im Gefängnis wäre für den Mafiaboss deutlich weniger angenehm. Aus mexikanischen Hochsicherheitsgefängnissen ist überliefert, dass El Chapo sich regelmäßig Prostituierte kommen ließ und mit seinen Getreuen Kinoabende veranstaltete. Der Bestsellerautor Don Winslow hat das in seinem aktuellen Buch „Das Kartell“ sehr schön beschrieben.

Winslow glaubt nicht, dass Mexiko El Chapo jemals ausliefert. Guzmán habe hundert Millionen (Dollar) an Bestechungsgeldern gezahlt, twitterte der Autor. „Will Mexiko ihn wirklich in den USA haben, wo er plaudern könnte?“ Er glaubt auch nicht an die offizielle Geschichte von Guzmáns Festnahme. Winslow fragt: Wenn Sean Penn den Mafiaboss besuchen konnte und dabei sogar überwacht wurde, wie mexikanische Medien jetzt berichten: Warum nahm die Regierung Guzmán dann nicht sofort fest? Und wenn fünf von El Chapos Männern während der Schießerei, die angeblich zur Festnahme führte, gestorben sind: Warum zeigt das offizielle Video der Festnahme nichts davon, und warum sind am Gebäude, in dem alles passierte, keine Einschusslöcher zu sehen?

Niemand kommt hier sauber raus

Okt 13
04_Cartel-Land

Crystal-Meth-Köche in der Wüste / Copyright: DCM Filmverleih

Was würdest Du tun, wenn Deine Familie massakriert wird, und niemand hilft? In Mexiko bewaffnen sich die Bürger. Der Film Cartel Land kommt ihnen nah wie keiner zuvor.

Für mitteleuropäische Zuschauer, gewöhnt an strikte Waffenkontrolle und daran, sich gefahrlos in der Öffentlichkeit bewegen zu können, mag der Satz wie ein überstrapaziertes Westernklischee klingen: „Es kommt der Moment, in dem wir entscheiden müssen, wie wir sterben wollen.“ Für den, der ihn in dem Film Cartel Land ausspricht, beschreibt der Satz schlicht die bittere Realität.

Michoacán, ein Bundesstaat im Südwesten Mexikos: Der Arzt José Manuel Mireles hat sich für den Kampf mit der Waffe entschieden. Er wolle nicht abgeschlachtet werden wie Vieh, sagt er. Ein Entkommen aus dem Drogenkrieg seiner Heimat gibt es für ihn ohnehin nicht, so oder so. Mireles ist die Hauptfigur im Dokumentarfilm Cartel Land des New Yorker Regisseurs Matthew Heineman. Ein Jahr lang hat Heineman den Arzt und seine Bürgerwehr, die sich gegen das örtliche Drogenkartell der Tempelritter erhob, mit seiner Kamera begleitet. Herausgekommen ist ein entsetzlicher, beklemmender Einblick in den mexikanischen Drogenkrieg.