• Archive: Wer singt erzählt

Die Schlammlawine von Mocoa

Mai 1
Mocoa, kurz nach der Katastrophe.

Einen Monat ist es her, dass die kolumbianische Stadt Mocoa von einer Schlammlawine verwüstet wurde. Immer noch sind die Schäden groß. Mir ist es ein Bedürfnis, den Menschen dort zu helfen, so gut ich das aus der Ferne kann.

Mocoa, kurz nach der Katastrophe. Das Gebäude im Hintergrund ist ein Kindergarten.

Mocoa, kurz nach der Katastrophe. Das Gebäude im Hintergrund ist ein Kindergarten. Auf den Straßen liegen Felsbrocken und Baumstämme, der Schutt stapelt sich. Mehre hundert Menschen starben, Häuser wurden weggerisse, ganze Viertel zerstört.

Ich war im vergangenen Jahr in Mocoa und im Departement Putumayo, dessen Hauptstadt Mocoa ist, unterwegs. Es ist nicht ganz ungefährlich, dort zu reisen. Aber die Menschen, die ich getroffen habe, passten auf mich auf. Und zwar alle, in jedem Moment. Ich habe dort eine sehr selbstverständliche und herzliche Gastfreundschaft erlebt und Freundschaften geschlossen.

Hier gibt es sehr wohl Liebe

Sep 8

Einst war Medellín eine Hochburg der Drogenmafia, Reich des Paten Pablo Escobar. Heute gilt sie als Vorzeigestadt. Wie der Wandel gelang? Darüber habe ich für ZEIT ONLINE geschrieben. Ich habe die Comuna 13 besucht, früher eines der berüchtigsten Viertel der Stadt. Hier hatte die Farc ihre Basis, hier entfesselte der damalige Präsident Álvaro Uribe die

Ein Rhythmus für Babys, so einfach. Nur nicht einfach für mich

Sep 4

Tak-ta-tak-tak. Klar, das ist ein total einfacher Rhythmus. Fácil. Simple. Was für Babys. Aber ich krieg ihn nicht hin. David schaut mich zweifelnd an, dann schlägt er noch einmal auf die Tischkante: Tak-ta-tak-tak. Mit flacher Hand, mit gekrümmter Hand, mal fest, mal sanft, mal nah an der Kante, mal voll auf die Tischplatte.

Jeder Schlag klingt anders, klar, das kann ich hören. Aber das reproduzieren? Als rhythmisch im Vergleich zu einem siebenjährigen afrokaribischen Jungen, der mit Trommeln, Tänzen und Gesängen aufgewachsen ist, sagen wir: ziemlich untrainierte Mitteleuropäerin? Es ist hoffnungslos. Ich setze trotzdem an. Tak-ta-tak-tak. David schaut zweifelnd. Die andern am Tisch sind amüsiert.

Doña María del Carmen

Aug 28
María del Carmen

María del Carmen

In Puerto Asís, ganz im Süden Kolumbiens, ist die Straße zu Ende. Wer von hier aus weiter will, muss das Boot nehmen: den Putumayo-Fluss und dann den Amazonas entlang, immer weiter Richtung Osten. Rechts des Ufers befindet sich Ecuador, weiter östlich Peru und später Brasilien.

Aus dem Norden ist Puerto Asís gut über eine Straße zu erreichen. Immerhin. Es ist noch gar nicht so lange her, da war die Stadt noch viel abgelegener. Doña María del Carmen kann sich gut daran erinnern.

Frieden, was ist das?

Aug 25

Wie wäre das, wenn der Frieden käme? Wer diese Frage in Kolumbien stellt, nach 50 Jahren Bürgerkrieg, erhält in Variationen die immer gleiche Antwort: In Ruhe leben zu können. Mit der Familie, mit Freunden. Ohne bedrängt, bedroht, misshandelt, vertrieben zu werden. Nachts ohne Furcht auf die Straße gehen zu können. Sich keine Gedanken mehr über Sicherheitsvorkehrungen machen zu müssen.

Kurz: Einfach in Ruhe gelassen zu werden.

Für den gemeinen Mitteleuropäer klingt das spießig. Für viele Kolumbianer wäre es das Paradies.

Im Putumayo hoffen sie auf Frieden

Aug 22

Mocoa, Departamento Putumayo, Kolumbien: Etwa die Hälfte der Bevölkerung ist hier offiziell als Opfer des Bürgerkriegs registriert. Mit dem Wandgemälde, das auf dem Bild zu sehen ist, erinnert eine Allianz von Frauenorganisationen an ihre Toten. Ich habe die kämpferischen Frauen getroffen – jetzt bereiten sie sich auf den Friedensprozess vor.

Germán Martínez, der Lohnschreiber von Cali

Aug 17
Germán Martínez, Lohnschreiber in Cali

Germán Martínez

Bisher dachte ich, Lohnschreiber – auf Spanisch Escribanos – seien eine Erscheinung längst vergangener Zeiten, auf nostalgische Art höchstens noch existent in der lateinamerikanischen Literatur. Jetzt habe ich einen von ihnen kennengelernt. Er war ziemlich pragmatisch und sehr real: Germán Martínez, 58 Jahre, Lohnschreiber in Cali.

Tag für Tag sitzt Germán im Parque de los Poetas vor der Kirche la Ermita, im Zentrum der Stadt, unter einem rot-grün-blau-weißen Sonnenschirm und empfängt seine Kunden. Seine Handynummer hat er weithin sichtbar in großen schwarzen Ziffern auf den Schirm geschrieben. Mehr Werbung ist nicht, den Rest erledigt die Mund-zu-Mund-Propaganda.

„Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit erlaube ich mir, Ihnen mitzuteilen, dass…“: Die Escribanos von Cali schreiben offizielle Briefe für ihre Kunden, erledigen die Steuererklärung, helfen in juristischen Fragen. Anwälten oder Notaren aber sind sie nicht gleichgestellt. Die haben ein Studium abgeschlossen. Germán hat das Abitur.

„Wayúu-Männer sind faul. Aber meiner hilft beim Kochen.“

Aug 1
In einer Wayúu-Siedlung

In einer Wayúu-Siedlung

Sie dachten, ich sei auch Ärztin. Ich hatte mich an eine Gruppe von Medizinern drangehängt, fast alles Freiwillige, die durch die Guajira reist, um die Kinder der Wayúu zu behandeln. Wenn sie nicht in die Siedlungen der Wayúu kommen, gibt es niemanden, der sich dort um die Gesundheit der Leute kümmert.

Die Ärzte und ihr Team bei der Arbeit

Die Ärzte und ihr Team bei der Arbeit

Die Guajira ist eine gottverlassene Region. Eine Halbwüste, heiß, windig, ohne große Infrastruktur, und seit Jahren regnet es dort kaum. Der Wind wirbelt die Erde auf, und bis zum Ende des Tages hat sie sich überall festgesetzt: auf dem Gesicht, unter der Kleidung, im Mund, zwischen den Zähnen. Unmöglich, sie loszuwerden.

Fließendes Wasser gibt es natürlich nicht, die Brunnen sind 130 Meter tief und führen nur Brackwasser, und wer sauberes Wasser will, muss dafür stundenlang in sengender Hitze durch die Gegend wandern. Wer Glück hat, kann ein Maultier mitnehmen, das gleich ein paar volle Kanister transportiert. Wer Pech hat, besitzt kein Maultier und geht mehrmals selbst, oder gibt sich mit der brackigen Brühe des Brunnens in der Nähe zufrieden. Hier wachsen vor allem Kakteen und Bäume mit sehr dünnen, fedrigen Blättern. Je weiter man nach Norden kommt, desto dürrer sind sie, und desto grauer, wegen des Staubs.

Ich muss wiederkommen, sagt Camilo

Jul 28
Camilo, ein Mamo der Arhuaco

Camilo, ein Mamo der Arhuaco

Die Arhuaco leben in der Sierra Nevada de Santa Marta; dort, wo unmittelbar an der kolumbianischen Karibikküste Berge gründen, die sich auf kurzer Distanz bis zu einer Höhe von 5.775 Metern über dem Meer emporschwingen. Oben gibt es Schnee und Gletscher – in den Tropen. Unten gibt es Palmen, Hitze, Bananenstauden und Sandstrände.

Das ewige Gesetz, nach dem die Arhuaco leben: Sorge dafür, dass die Erde nicht aus dem Gleichgewicht gerät! Denn sie ist ein lebendiger Organismus, mit allen Lebewesen, die sie bewohnen. Wer sie verletzt, wer nicht nach den alten Regeln lebt, der schadet allen.

Ihre Kleidung ist Sinnbild dieses Auftrags, denn sie umhüllt die Arhuaco symbolisch mit der Natur, die es zu schützen gilt. Die Mütze steht für die Gletscher (die im Moment schmelzen). Überwurf, Gürtel, Hosen sind Symbol für die Vegetation der Berge. Die Sandalen versinnbildlichen den Übergang ins Meer.

Die Rollenverteilung ist strikt. Zum Beispiel in der Kleidungsproduktion. Die Männer weben, und sie häkeln die Mützen (die nur Männer tragen). Frauen häkeln die Beutel, in denen die Männer unter anderem geröstete Kokablätter und auch sonst alles Wichtige bei sich tragen. Koka ist nur für die Männer, aber den Frauen kommt die wichtige Aufgabe zu, die Blätter zu pflücken.