Vor einem Jahr unterzeichneten Kolumbiens Regierung und die Farc-Guerilla ihren Friedensvertrag. Die Hoffnungen waren groß – im Ausland vielleicht sogar noch größer als unter den Kolumbianern selbst. Sie wussten, wie kompliziert es werden würde, einen wirklich stabilen Frieden zu erreichen.
Heute wirkt der Friede brüchig. Mehr als die Hälfte der Guerilleros sind, das sagt die UNO, aus den Übergangslagern verschwunden, in denen ihnen eigentlich der Weg ins zivile Leben geebnet werden sollte. Vielleicht sind sie zu ihren Familien gegangen, vielleicht aber auch zurück in den Dschungel. Tobias Käufer hat für die Tageszeitung Die Welt das Übergangslager in Mesetas besucht, das größte des Landes. Er schreibt:
Nur noch 254 von den ursprünglich 518 Kämpfern, die im Februar … nach Mesetas kamen, sind vor Ort. Inzwischen sind zumindest in dem größten der über das ganze Land verstreuten 26 Quartiere ein paar Hütten fertig – vor ein paar Monaten, als das deutsche Hilfswerk Adveniat deutschen Journalisten den Zugang ermöglichte, glich alles noch einem großen Provisorium.
(…)
Strom und Wasser gibt es auch heute noch nicht, und es fehlt den Guerilleros an landwirtschaftlicher Anbaufläche, um sich selbst zu versorgen. In der Umgebung des Lagers sind die Preise für Ackerflächen gestiegen, der Frieden hat eben auch hier in der Provinz seinen Preis. (…) Dabei gilt Mesetas als das Vorzeige-Lager der Farc.
Es gebe keine Jobs für die Guerilleros, schreibt Käufer. Doch das Kokaingeschäft ist immer noch da, und es ist lukrativ. Wo die Farc sich zurückzog, kämpfen jetzt andere Banden (oder rückfällige Farc-Kämpfer) um die Macht über Kokafelder und Schmuggelrouten. Für die Menschen in den betroffenen Gebieten bringt das noch mehr Unsicherheit als während des Bürgerkrieges. Damals, sagen sie, herrschte zwar die Guerilla und verbreitete Angst und Schrecken. Aber wenigstens gab es feste Regeln, an die man sich halten konnte. Heute sei nichts und niemand mehr sicher.
Eine der Regionen, in der die Gewalt sich zu verschlimmern scheint, ist der Putumayo. Tjerk Brühwiller war für die Neue Züricher Zeitung dort und beschreibt den Kampf um das Drogengeschäft:
Wo man auch hinfährt in Putumayo, hört man dieselben Geschichten von Drohungen, Erpressungen, Entführungen und Gewalt durch oftmals unbekannte bewaffnete Gruppen. Gerüchte kursieren, es herrschen grosse Verunsicherung und Angst unter den Campesinos auf dem Lande. Der Abzug der Farc hat in etlichen Regionen Kolumbiens ein Machtvakuum erzeugt, das von der Armee nicht ausgefüllt wird und bewaffneten Gruppen die Tür geöffnet hat.
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Ein paar tausend Guerilleros lassen sich mehr oder weniger problemlos in die Gesellschaft eingliedern. Dieser Teil des Friedensvertrages lässt sich umsetzen. Die weitaus grössten Hürden des Vertrages bestehen jedoch in zwei anderen Punkten des Abkommens: einerseits in der Bekämpfung des illegalen Kokaanbaus und damit des organisierten Verbrechens, das sich um den Ausgangsstoff für das Kokain aufgebaut hat, andererseits in einer Landreform, um den vom Kokaanbau abhängigen Kleinbauern eine Zukunft zu ermöglichen.
Zur Landreform gehört auch die Rückgabe geraubten oder illegal erworbenen Lands an vertriebene Bauern. Jene aber, die auf diesem Recht beharren, müssen oft um ihr Leben fürchten. Es sieht nicht so aus, als würde der Alltag der Menschen auf dem kolumbianischen Land bald friedlicher.