Was wollte General Rubén Darío Alzate im Chocó? Am Sonntagnachmittag waren er und zwei Begleiter in der unzugänglichen Region im Westen Kolumbiens entführt worden. Es ist eine Konfliktregion, eine Hochburg der Farc und des Drogenhandels, und eigentlich müssten hochrangige Militärs dort bestimmte Sicherheitsvorkehrungen beachten. Aber der General hat sie offenbar alle ignoriert, er scheint weder in Uniform noch mit seinen Waffen unterwegs gewesen zu sein, und er wurde auch nicht von Bodyguards begleitet. Nachrichtenagenturen meldeten am Montag, er habe ein ziviles Energieprojekt besuchen wollen.

Die kolumbianische Regierung erklärte, Rebellen der Farc-Guerilla hätten den General in ihrer Gewalt. „Es ist eine Entführung“, sagte Verteidigungsminister Juan Carlos Pinzón. Man müsse die Dinge beim Namen nennen. Dahinter steckt, dass die Farc Militärs in ihrer Gewalt immer als Kriegsgefangene betrachtet. Trotz der seit Monaten laufenden Friedensgespräche zwischen Regierung und Guerilla herrscht in Kolumbien kein Waffenstillstand, und nach Farc-Logik wäre die Gefangennahme von Darío Alzate deshalb legitim.

Zwar verdient die Guerilla mit Entführungen und der Erpressung der Angehörigen um Lösegeld beträchtliche Summen. Aber sie bestreitet, dass auch die Entführung von Soldaten zum Geschäft gehört. Kolumbiens Regierung sieht das naturgemäß anders.

Mit dem General wurden Medienberichten zufolge der Obergefreite Jorge Rodríguez Contreras und die Anwältin und Beraterin Gloria Urrego entführt. Ein weiterer Soldat konnte fliehen; er überbrachte den Behörden die Nachricht der Entführung. Jetzt suchen Hunderte Soldaten nach den Entführten. Zudem hat die Regierung das Internationale Rote Kreuz um Vermittlung gebeten.

Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos verlangt nun öffentlich Aufklärung vom Verteidigungsministerium und dem Oberkommando der Armee über die Beweggründe der Undercover-Reise des Generals. „Ich möchte, dass Sie mir erklären, warum General Alzate alle Sicherheitsprotokolle verletzte und sich in Zivil in einer roten Zone befand“, twitterte er. Eine öffentliche Antwort steht noch aus.

Zugleich setzte Santos die Friedensverhandlungen mit der Farc aus. Für die Friedensgespräche ist das ein schwerer Rückschlag. Seit sie im November 2012 begonnen haben, hat es keinen ähnlich schweren Zwischenfall gegeben. Dabei schienen die Aussichten eigentlich gut. Über eine Landreform und die Bekämpfung der Drogenkriminalität hat man sich unter anderem schon geeinigt, jetzt soll es um die Anerkennung des Leids der Opfer gehen, und um die Zukunft der Guerilleros.

Darin liegt eine besonders heikle Frage. Es geht darum, welche Kriegsverbrechen bestraft werden sollen und welche nicht. Oder anders gefragt: In welchem Fall soll ein Guerillero ins zivile Leben zurückkehren dürfen, und wann muss er ins Gefängnist? Auch die kolumbianischen Streitkräfte werden sich irgendwann solchen Fragen stellen müssen, denn auch sie haben in diesem Bürgerkrieg Verbrechen begangen. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist es für Präsident Santos schwer, sie von seinem Friedenskurs zu überzeugen.

Dennoch hat er vor ein paar Tagen erklärt, er sei zuversichtlich, im kommenden Jahr einen Friedensvertrag schließen zu können. Auf einer Reise durch mehrere europäische Länder hat er auch erfolgreich um Unterstützung für den Friedensprozess geworben. Plötzlich steht das Erreichte wieder auf der Kippe.