Die kolumbianische Pazifikküste gehört zu den artenreichsten Regionen der Welt. Von der Grenze zu Panama im Norden bis hinein nach Ecuador im Süden erstreckt sich die Bioregion des Chocó – nicht zu verwechseln mit dem kleineren kolumbianischen Departement gleichen Namens, das fast komplett in der Bioregion liegt. Hier wächst dichter, undurchdringlicher Regenwald. Es herrscht eine tropische Hitze, und angeblich befindet sich im Chocó der regenreichste Ort der Erde: Lloró, wo im Jahr geschätzt mehr als 13.000 Liter pro Quadratmeter Niederschlag fallen. In Deutschland sind es ungefähr 700 Liter jährlich.

Im Chocó kann man Wale beobachten; hier leben Schildkröten, Affen, Jaguare, Faultiere und Giftkröten, und angeblich gibt es Hunderte verschiedener Vogel- und Tausende von Pflanzenarten. Ein großerTeil von ihnen soll nur in dieser Region vorkommen, nirgendwo sonst.

Leider ist der Chocó aber auch reich an Bodenschätzen, und in seinen Wäldern finden sich wertvolle Hölzer. Nicht der Staat beherrscht die Gegend, sondern illegale bewaffnete Gruppen: ehemalige Paramilitärs, Guerrilla-Organisationen und Drogenbanden. Sie beuten die Schätze der kolumbianischen Pazifikregion rücksichtslos aus. Vor allem der Goldbergbau ist ein Problem. Ein Teil der Lagerstätten wird von multinationalen Konzernen abgebaut, aber der größte Teil der Goldminen in der Gegend wird ohne staatliche Genehmigung betrieben.

Früher hieß das: Die Bewohner der Gegend, meist Afrokolumbianer, wuschen in den Flüssen des Chocó Gold, um zu überleben. Eine Lizenz vom Staat besaßen sie nicht. Ihre traditionelle Form des Goldabbaus gibt es immer noch (und die New York Times zeigt hier tolle Fotos davon). Aber wer heute von illegalen Minen spricht, meint die Mafia, die mit Baggern, Quecksilber und Zyanid anrückt, um das Gold aus der Erde zu holen – ohne irgendeine Rücksicht auf die Umwelt und die Menschen, die in den umliegenden Siedlungen leben. Die Mafia verseucht Flüsse und Böden, sie nimmt den Menschen ihre Lebensgrundlage, und wer ihr in die Quere kommt, wird vertrieben oder umgebracht.

In mein Land kam ein Typ, der all mein Gold mitgenommen hat.

In mein Land kam ein Typ, der all mein Gold mitgenommen hat.

Ganz in weiß gekleidet und mit ausländischem Akzent,

Hat er mir für mein Gold viel Geld versprochen.

Der Typ ist nie wieder aufgetaucht.

Er hat sich mein Edelmetall gegriffen und alles mitgenommen.

(…)

All mein Gold ist weg

Die Eigentümer sind jetzt Angestellte

Mehr Armut ist gekommen

Die Unschuld ist verschwunden.

So beklagen Choc Quib Town, eine Band aus dem Chocó, den Raubzug. Das Video zu ihrem Stück „Oro“ (Gold) wurde in Condoto gedreht, einer Gemeinde, die lange versucht hat, sich vor der Plünderung zu schützen. Um die Jahrtausendwende gründeten die Goldwäscher von Condoto und der Nachbargemeinde Tadó gemeinsam mit Umweltschützern eine Art Kooperative, die sie Oro Verde nannten, Grünes Gold. Sie wuschen das Gold nach althergebrachter Art, wie seit Jahrhunderten, mit simplen Holzschalen, die sie ins Flusswasser hielten, ohne Bagger und Chemie. Das Gold wurde mit einem Aufschlag auf dem Weltmarkt verkauft. Auch deutsche Goldschmiede bestellten bei Oro Verde.

Dann aber kam die Weltfinanzkrise. Industrieländer kürzten ihre Entwicklungshilfe, und auch die Unterstützer von Oro Verde aus dem Ausland stellten ihre Zahlungen ein. Überall waren Investoren auf der Suche nach vermeintlich stabilen Anlageobjekten. Der Goldpreis stieg in nie gekannte Höhen. Oro Verde aber brachte das nichts, im Gegenteil: Die Mafia wollte jetzt auch an ihre Lagerstätten. Die meisten Mineros hielten dem Druck nicht stand. Heute leistet nur eine Handvoll Familien aus Tadó noch Widerstand. Sie suchen nach einem Weg aus der Krise, aber wie der aussehen könnte, ist noch nicht ganz klar.

Für die ZEIT habe ich die Geschichte von Oro Verde aufgeschrieben (hier als pdf).