Die Angehörigen der 43 verschwundenen und vermutlich ermordeten Studenten von Ayotzinapa geben den mexikanischen Behörden die Schuld an dem Verbrechen – und nicht nur sie. Auch die seit Tagen protestierenden Bürger beschuldigen den Staat. Amnesty International bezeichnet die Tat ebenfalls als staatlich organisiert, als Crímen del Estado. Das ist nicht erstaunlich.

Schließlich haben Polizisten die in der Kleinstadt Iguala demonstrierenden Studenten verhaftet. Sie haben sie ihren mutmaßlichen Mördern übergeben. Die Empörung der Mexikaner hat allerdings viel tiefere Ursachen. Offenbar wussten die Behörden seit Jahren, dass der Bürgermeister von Iguala und seine Frau mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung standen. Ein Ermittlungsverfahren gegen den Bürgermeister, der schon vor Jahren an der Ermordung politischer Gegner persönlich beteiligt gewesen sein soll, wurde trotz notariell beglaubigter Zeugenaussagen eingestellt. Amnesty zählt zahlreiche weitere Fälle auf, in denen die Behörden hätten tätig werden müssen. Doch diese unternahmen nichts.

Kein Wunder, dass heute niemand mehr dem Generalstaatsanwalt glaubt, wenn er versichert, dass die Verantwortlichen für Ayotzinapa zur Rechenschaft gezogen werden sollen. Präsident Enrique Peña Nieto scheint das nicht weiter zu stören. Er flog trotz der Proteste zu Hause zum Apec-Gipfel nach Asien.

Vor mehr als drei Jahren bezeichnete der Korruptionsexperte Edgardo Buscaglia Mexiko als eine „Mafiakratie“. Offenbar hat sich seither nichts geändert – außer, dass die Komplizenschaft zwischen Behörden und Kartellen heute noch klarer zu Tage tritt.