Die Mörder erschossen ihre Opfer auf einer Müllkippe. Manche waren da schon tot, erstickt in den Fahrzeugen, in denen sie gebracht worden waren. Sie schichteten die Toten auf wie Feuerholz, übergossen die Leichen mit Benzin und zündeten sie an. Der Scheiterhaufen brannte 14 Stunden lang: die ganze Nacht durch und bis zum Nachmittag des folgenden Tages, geschürt durch Brennholz, Plastik und Autoreifen. Angeblich bemerkte niemand irgend etwas, doch das Feuer muss weithin geleuchtet und eine gewaltige Rauchsäule verursacht haben.

Als die Flammen erloschen und die Asche erkaltet waren, zerbrachen die Mörder die übrig gebliebenen Knochen und steckten die Überreste in Plastiksäcke, die man später am Rand eines Bachs fand. So sehr verbrannt waren die Leichen, dass Zähne, die mit den Überresten gefunden wurden, bei der leisesten Berührung zu feinem Staub zerfielen.

So beschreibt die spanische Tageszeitung El Mundo das Ende der 43 vermissten Studenten von Iguala.

Es sind die offiziellen Ermittlungsergebnisse der mexikanischen Behörden, bekannt gegeben am gestrigen Freitag vom Generalstaatsanwalt Jesús Murillo Karam, mehr als 40 Tage nachdem die Studenten verschwunden waren.

Die Eltern können nicht glauben, dass die Toten ihre Kinder sind. Sie misstrauen den Behörden – verständlich in einem Land, in dem diese oft mit dem organisierten Verbrechen verbandelt sind. Allem Anschein nach waren es Polizisten, die die Studenten festgenommen und ihren Mördern übergeben haben, den Auftragskillern des Kartells Guerreros Unidos. Drei von ihnen haben nun gestanden, an den Morden beteiligt gewesen zu sein. Journalisten, denen Murillo Karam auf seiner Pressekonferenz Videoaufnahmen ihrer Zeugenaussagen vorspielte, waren danach sprachlos vor Entsetzen.

Tatsächlich steht die letztgültige Identifikation der Überreste, die in der Asche gefunden wurden, noch aus. Österreichische Experten in Innsbruck sollen das übernehmen, berichten Medien. Aber alles scheint darauf hinzudeuten, dass es sich um die Studenten handelt.

Es ist eines der schlimmsten Massaker der mexikanischen Geschichte, und es bringt Präsident Enrique Peña Nieto in schwere Bedrängnis. Er war angetreten, den Drogenkrieg aus den Schlagzeilen zu verdrängen. Statt dessen wollte er das Image Mexikos durch Wirtschaftsreformen verbessern, die Investitionen anlocken und Arbeitsplätze schaffen sollten. Das würde den Ausgeschlossenen eine Perspektive geben und den Reiz des schnellen Geldes mindern, mit dem die Kartelle ihren Nachwuchs locken, so die Hoffnung.

Die internationalen Medien beschrieben Peña Nieto als Retter des Landes, es war viel die Rede vom „mexikanischen Moment“. Doch im Hintergrund verfolgten die kriminellen Organisationen weiter ungestört ihre Interessen. Dass einige der berüchtigsten Drogenbosse während Peña Nietos Amtszeit verhaftet wurden, störte die Geschäfte nicht weiter.

Nachdem die Studenten von Iguala verschwunden waren, fand man in der Region weitere Massengräber, aber die Toten darin waren nicht die Studenten – und mit den vermuteten Überresten der Studenten wurden noch mehr Leichen gefunden. Statt des mexikanischen Moments sind jetzt wieder Mexikos Morde in den Schlagzeilen.

In Mexiko sind Trauer und Empörung groß. Wird das irgend etwas an der Lage im Land zum Besseren wenden? „Ich hoffe es, aber ich glaube es nicht“, twittert der Sicherheitsexperte Eduardo Salcedo-Albarán. „Es ist eine menschliche Tragödie.“

Eine Tragödie, die vor Augen führt, dass Mexiko juristische und politische Reformen mindestens ebenso dringend braucht wie wirtschaftliche Investitionen. Will Peña Nieto im Amt bleiben, kann er das möglicherweise nicht mehr ignorieren.