Germán Martínez
Bisher dachte ich, Lohnschreiber – auf Spanisch Escribanos – seien eine Erscheinung längst vergangener Zeiten, auf nostalgische Art höchstens noch existent in der lateinamerikanischen Literatur. Jetzt habe ich einen von ihnen kennengelernt. Er war ziemlich pragmatisch und sehr real: Germán Martínez, 58 Jahre, Lohnschreiber in Cali.
Tag für Tag sitzt Germán im Parque de los Poetas vor der Kirche la Ermita, im Zentrum der Stadt, unter einem rot-grün-blau-weißen Sonnenschirm und empfängt seine Kunden. Seine Handynummer hat er weithin sichtbar in großen schwarzen Ziffern auf den Schirm geschrieben. Mehr Werbung ist nicht, den Rest erledigt die Mund-zu-Mund-Propaganda.
„Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit erlaube ich mir, Ihnen mitzuteilen, dass…“: Die Escribanos von Cali schreiben offizielle Briefe für ihre Kunden, erledigen die Steuererklärung, helfen in juristischen Fragen. Anwälten oder Notaren aber sind sie nicht gleichgestellt. Die haben ein Studium abgeschlossen. Germán hat das Abitur.