Laura Wills Otero ist Politologin an der Universidad de Los Andes in Bogotá. Seit vergangenem Jahr leitet sie dort das Programa Congreso Visible, das sich zum Ziel gesetzt hat, die politische Arbeit des kolumbianischen Parlaments transparenter zu machen.

Auch im gerade laufenden Präsidentschaftswahlkampf hat Wills Otero versucht, die Positionen der Kandidaten dem Volk nahezubringen. Und ist fast daran verzweifelt. Wenige Tage vor dem Wahltermin sagt sie in einem Café im wohlhabenden Norden von Bogotá: „Es gab keine Debatte. Eigentlich ist das unglaublich in einer Demokratie.“

Der amtierende Präsident Juan Manuel Santos hat es bis heute abgelehnt, sich seinen Herausforderen in einer direkten Diskussion zu stellen.

„Es wäre wichtig gewesen, dass er seine Haltung und seine Vorschläge für die nächste Amtszeit verteidigt hätte“, sagt Wills Otero. „Aber das ist nicht passiert.“ Santos vermeide klare Festlegungen. Und offenbar verlässt sich der Amtsinhaber sehr auf seinen Präsidentenbonus. „Die ganze politische Maschinerie arbeitet zu seinem Vorteil.“

Auch an einer Diskussion, die Wills Otero organisierte, nahm Santos nicht teil. Sein grüner Gegenkandidat Enrique Peñalosa, dem ursprünglich gute Chancen eingeräumt wurden, sagte ebenfalls ab. Und am Tag vor dem Debattentermin zog auch Clara López, die Kandidatin der Linken, ihre Zusage zurück. Übrig blieben zwei von fünf Kandidaten: die Konservative Marta Lucía Ramírez und Oscar Iván Zuluaga, Vertreter der Partei von Expräsident Álvaro Uribe und heute Santos‘ stärkster Widersacher.

Dabei gäbe es viel zu diskutieren. Nicht nur wegen der Friedensverhandlungen auf Kuba. Die Kolumbianer wollen Arbeit für sich und Bildung für ihre Kinder, Sicherheit auf dem Land, und viele fordern eine Politik gegen Armut und die große materielle Ungleichheit.

Aber in den vergangenen Wochen wurde darüber schon gar nicht mehr gesprochen. Auf den letzten Metern wurde der Wahlkampf schmutzig, und seither diskutieren die Kolumbianer über Drogengeld, Spionage und den Verrat von Staatsgeheimnissen. Jetzt liegen Zuluaga und Santos fast gleichauf. Gewönne Zuluaga, wäre das für viele ein Alptraum: die Rückkehr der Uribistas, der härtesten Rechten und unachgiebigsten Gegner des Friedensprozesses, an die Regierung.

Laura Wills Otero versucht trotz allem, die inhaltliche Debatte wenigstens ein bisschen zu führen. Congreso Visible vergleicht die Positionen der Kandidaten und hat ein Quiz ins Netz gestellt, als Entscheidungshilfe für die Wähler. Damit erreicht man allerdings nur das gebildete Publikum in den Städten, wo der Internetzugang selbstverständlich ist. „Viele Kolumbianier sind schlecht informiert“, sagt die Politologin. „Und oft entscheiden sie sich erst am Wahltag für einen Kandidaten.“

Wie wird die Sache ausgehen? Vier Tage vor der Wahl mag niemand eine Prognose abgeben. In Kolumbien sei alles möglich, sagt Wills Otero. Sonntag Abend weiß man mehr.

Viele der Leute, mit denen ich gesprochen habe – Journalisten und Wissenschaftler – sind der schmutzigen Wäsche müde. Sie wollen Santos erst in einem etwaigen zweiten Wahlkampf wählen, um die Rückkehr der Uribistas zu verhindern. Aber eigentlich bevorzugen sie eine ganz andere Kandidatin: Clara López von den Linken. Die lag in den Umfragen bisher allerdings nur bei rund zehn Prozent.