Die Unterstützung der Kolumbianer für die Friedensverhandlungen mit der FARC-Guerrilla nimmt ab. Das ist nicht verwunderlich.

Hunderttausende litten und leiden immer noch unter den jüngsten Anschlägen der Guerrilleros auf die Energieinfrastruktur. Es ist erst gut zwei Wochen her, dass sie in der Provinz Nariño im Südwesten des Landes einen Strommasten sprengten. 200.000 Personen waren von der Elektrizitätsversorgung abgeschnitten. Wenige Tage später verübten die FARC in Tumaco, gelegen in der gleichen Provinz, einen Anschlag auf eine Ölpipeline. Seither sind die Flüsse der Gegend – Trinkwasserquelle für 160.000 Menschen – vom Erdöl verseucht. Die Pampe floss auch in den Pazifik, der Umweltschaden ist immens. Bis heute ist die Trinkwasserversorgung nicht wieder hergestellt, und Medienberichten zufolge erreichen die Wasser-Tankwagen, die Regierung und Armee zur Notversorgung schicken, nicht alle Menschen.

Gemessen an der Zahl der Anschläge soll der Juni in Kolumbien der gewalttätigste Monat seit Beginn der Friedensverhandlungen zwischen Regierung und FARC gewesen sein. Das strapaziert die Geduld der Unterhändler in Havanna sehr – und die der Bevölkerung.

Ob zum Guten oder zum Schlechten, der Friedensprozess gelangt an sein Ende. Was geschieht, ist für die Kolumbianer unerträglich. Es ist Zeit, zu einem Übereinkommen (mit der FARC) zu gelangen, oder die Verhandlungen in Havanna, Kuba, zu beenden.

Das sagte vor fünf Tagen Humberto de la Calle, Hauptunterhändler der kolumbianischen Regierung, in einer offiziellen Erklärung. Es war eine Warnung an die FARC: Das Risiko, dass die Regierung den Verhandlungstisch verlasse, sei „real“.

Tatsächlich sind die Verhandlungen schon länger in einer heiklen Phase. Es geht derzeit um die Frage, welche Taten der FARC – und des Militärs – gerichtlich verfolgt werden sollen, und um die Entschädigung für die Opfer des Bürgerkrieges. Bis kommenden Montag soll die aktuelle Gesprächsrunde dauern.

Zuletzt hatte es in der Öffentlichkeit immer wieder Forderungen nach einem bilateralen Waffenstillstand gegeben, um den Verhandlungen wieder eine gewisse Vertrauensbasis zu verleihen. Angesichts der verfahrenen Lage drängten auch die Länder, die den Friedensprozess begleiten, energisch auf eine Deeskalierung des Konflikts. Das sind Kuba, Norwegen, Venezuela und Chile. Zugleich warb Präsident Juan Manuel Santos auf Twitter um das Vertrauen der Wähler.

Gestern hat die FARC nun einen einseitigen Waffenstillstand angekündigt, der am 20. Juli beginnen und einen Monat andauern soll. Eine erste Geste. Aber damit die Gespräche wirklich vorankommen, braucht es wohl mehr.

Der Chef des Thinktanks International Crisis Group in Bogotá, Javier Ciurlizza, stellt auf Twitter fünf Forderungen auf: Die Feindseligkeiten müssten aufhören. Die Beseitigung der Anti-Personenminen müsse schneller vorankommen, und die minderjährigen Kämpfer müssten „befreit“ werden. Die internationalen Beobachter müssten in den Dialog über einen bilateralen Waffenstillstand einbezogen werden. Dann müsse eine Übereinkunft über Gerechtigkeit und Entschädigung für die Opfer erreicht werden. Und erst dann könne man konkret über eine bilaterale Waffenruhe verhandeln.

Zum Weiterlesen: Einen guten Überblick über die Lage gibt der Kollege Tjerk Brühwiller hier in der Neuen Züricher Zeitung. Und Jürgen Vogt berichtet in der taz über die Entlassung der Militärspitze durch Präsident Santos und die Bedeutung für den Friedensprozess.