Vor ein paar Tagen berichtete die Finanznachrichtenagentur Bloomberg von einer neue Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO, die es in sich hat. Dem Papier zufolge ist das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat, auch bekannt unter dem Handelsnamen Roundup von Monsanto, sehr wahrscheinlich krebserregend. Roundup wird häufig eingesetzt, um Felder mit gentechnisch veränderten (und deshalb gegen das Herbizid resistenten) Mais-, Soja-, Raps- oder Baumwollpflanzen unkrautfrei zu halten.

Für Umweltschützer und Gentech-Gegner bestätigt die WHO-Studie lange gehegte Befürchtungen, und trotzdem fand die Nachricht hierzulande keine größere Beachtung. In Kolumbien und den USA ist das anders.

Glyphosat steht schon lange unter Krebsverdacht. In Argentinien, wo riesige Sojafelder ausgiebig und flächendeckend mit dem Pestizid und anderen Giften besprüht werden, gibt es zahlreiche schwere Krankheitsfälle, die mutmaßlich mit dem Gifteinsatz in Zusammenhang stehen. Bislang aber hat Monsanto es meist geschafft, kritische Forscher als unglaubwürdig darzustellen. Tatsächlich scheinen die Befunde bislang nicht ganz so eindeutig zu sein. Durch die neue WHO-Studie gewinnt die Kritik nun aber an Gewicht.

In Kolumbien versprüht auch das Militär Glyphosat – um Kokainpflanzungen zu zerstören. Die Washington Post berichtet:

Roundup is… a preferred weapon for killing Colombian cocaine harvests. More than 4 million acres of land have been sprayed over the past two decades to kill coca plants, whose leaves produce cocaine.

The fumigation program, which is partly carried out by American contractors, long has provoked hostility from Colombia’s left, which likens it to the U.S. military’s use of the Agent Orange herbicide during the Vietnam War. Leftist rebels, currently in negotiations with the government to end a half-century conflict, are demanding an end to the spraying as part of any deal.

Daniel Mejia, a Bogota-based economist who is chairman of an expert panel advising the Colombian government on its drug strategy, said the report is by far the most authoritative and could end up burying the fumigation program.

“Nobody can accuse the WHO of being ideologically biased,” Mejia said…

Der Berater der kolumbianischen Regierung, Daniel Mejía, plädiert also für ein Ende des Sprühprogramms und verweist auf die fachliche Autorität der WHO. Mejía selbst – Ökonom, kein Mediziner – hat der Washington Post zufolge in der Vergangenheit Reports mit Hinweisen auf Glyphosat-bedingte Krankheiten veröffentlicht.

Die Koka-Vernichtung aus der Luft ist in Kolumbien schon immer umstritten. Glyphosat vernichtet auch legale Ackerpflanzen und entzieht den Bauern so ihre Lebensgrundlage. Die neue Studie, schreibt James Bargent für die Stiftung InsightCrime, könnte den Betroffenen nun den Klageweg eröffnen.

Doch weder die kolumbianische noch die US-amerikanische Regierung scheinen sonderlich beeindruckt. Sie fänden Kokain immer noch schädlicher als das Pestizid, berichtet die Washington Post. Der Tageszeitung El Tiempo zufolge bewertet das Department of State Glyphosat trotz der WHO-Studie als „sicher“.

Für Mejía ist das bloß „billige und unverantwortliche Rhetorik“. Er fordert Belege. Mal sehen, ob der Regierungsberater sich da durchsetzen kann.

Ergänzung: Das Bundesinstitut für Riskobewertung hat am vergangenen Montag auf die Studie reagiert. Die Einstufung von Glyphosat als Kanzerogen der Gruppe 2A, also wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen, sei nach derzeitigem Kenntnisstand „wissenschaftlich schlecht  nachvollziehbar und offenbar nur mit wenigen Studien belegt“. Um die Studie abschließend zu beurteilen, müsse man jedoch die ausführliche Begründung für die Neueinstufung kennen, und die liege noch nicht vor. Das BfR werde die Studie gründlich prüfen, sobald die Langfassung der Studie bekannt sei. Die Stellungnahme des BfR im Wortlaut findet sich hier.

Update: Anfang Mai, enige Wochen nach Veröffentlichung der WHO-Studie hat Kolumbiens Regierung beschlossen, dass es ab Oktober 2015 keine Sprühaktionen mit Glyphosat mehr geben soll. Was an ihre Stelle tritt, scheint noch nicht klar. Möglicherweise wird das Glyphosat durch ein anderes Herbizid ersetzt