San AgustínMan weiß nicht viel über die Kultur von San Agustín. Vielleicht war es nur ein Volk, vielleicht waren es mehrere, die in den südkolumbianischen Anden ihre riesenhaften Steinskulpturen hinterlassen haben. Die Figuren gehören heute zum Unesco-Weltkulturerbe, und seit ein paar Jahren, seit die Farc-Guerilla die Gegend nicht mehr völlig unter Kontrolle hat, kann man die archäologischen Fundstätten von San Agustín sogar bereisen.

Mich hatte das Reisebüro nach Neiva geschickt, mit dem Flugzeug nur einen Hüpfer von Bogotá entfernt. Der Transfer von dort nach San Agustín würde nur zwei, drei Stunden dauern, hatte man mir versichert. Am Ende waren es mehr als fünf. Die Straße zwischen Neiva und San Agustín ist eng und kurvig, und sie wird von ganz besonders vielen Tanklastwagen befahren, die Erdöl zur Küste bringen sollen. Die praktische Erkenntnis daraus: Wer San Agustín besuchen will und mit dem Flugzeug anreist, sollte überlegen, nach Pitalito zu fliegen. Die Verbindungen dorthin sind zwar nicht so gut, aber die Stadt liegt deutlich näher an den archäologischen Fundstätten.

San AgustínDie archäologischen Parks bestehen vor allem aus den früheren Friedhöfen der San-Agustín-Kultur, die ganze Bergspitzen abgetragen und zu ebenen Flächen umgestaltet hat, um ihre Nekropolen zu errichten. Die Statuen bewachten die Gräber unter der Erde; manche dienten wohl auch als Sargdeckel. Viele wurden von ihren ursprünglichen Fundorten entfernt – die ersten Archäologen versammelten viele Skulpturen einfach um eine große Fläche, oder sie stellten waagerecht in der Erde liegende Steinfiguren aufrecht, damit die Besucher einen vermeintlich besseren Eindruck bekommen konnten. Von vielen der Figuren kennt man den ursprünglichen Fundort gar nicht mehr, und so stehen sie immer noch aus dem Kontext gerissen in der Gegend herum. Trotzdem ist der Park sehr beeindruckend.

San AgustínVieles über die Kultur von San Agustín ist noch unerforscht. Offenbar hat man bisher keine Überreste menschlicher Siedlungen gefunden, die mit den Friedhöfen in Verbindung stehen könnten. Woher aber kamen die ganzen Toten? Manche der Steinskulpturen haben afrikanische oder asiatische Gesichtszüge. Handelt es sich um eine Nekropole, die von mehreren Völkern genutzt wurde?

Je einflussreicher die Begrabenen waren, desto beeindruckender sind die Statuen an ihren Gräbern gestaltet. Viele der männlichen Figuren haben tierische Gesichtszüge – Krokodilszähne zum Beispiel, oder sie ähneln Affen oder Jaguaren. Das soll wohl ihre Macht zeigen. Die wenigen weiblichen Statuen hingegen zeigen tragen immer ein sanftes Lächeln im rein menschlichen Gesicht, so wie jene, die hier im Titelbild zu sehen ist. Manche der Figuren stellen Szenen aus dem Leben dar. Geburten sind oft zu sehen.

San Agustin (3)Leider ist nicht alles im Park gut instand gehalten. In einem Grab steht ein Keramikgefäß im Regen. Es ist schon ziemlich zerbröselt, offenbar durch die Feuchtigkeit. Und die Quelle von Lavapatas, einer der zentralen Orte von San Agustín, soll wohl durch ein durchsichtiges Dach vor der Witterung geschützt werden, aber die Konstruktion verstärkt die Hitze wie ein Gewächshaus und schadet so dem darunter liegenden Steinrelief.

San Agustin (10)Einige der Statuen von San Agustín sind übrigens im ethnologischen Museum in Berlin zu sehen. Kolumbien fordert sie zurück.

Ein Besuch in San Agustín lohnt sich aber nicht nur wegen der archäologischen Stätten. In der Nähe entspringt der Magdalena-Fluss, einer der wichtigsten Flüsse Kolumbiens. Er trennt die zentrale Andenkordillere des Landes vom östlichen Gebirgszug. Wilde Berge, ein gewaltiger Fluss – auch die Landschaft um San Agustín ist toll.

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