• Archive: Kolumbien

Germán Martínez, der Lohnschreiber von Cali

Aug 17
Germán Martínez, Lohnschreiber in Cali

Germán Martínez

Bisher dachte ich, Lohnschreiber – auf Spanisch Escribanos – seien eine Erscheinung längst vergangener Zeiten, auf nostalgische Art höchstens noch existent in der lateinamerikanischen Literatur. Jetzt habe ich einen von ihnen kennengelernt. Er war ziemlich pragmatisch und sehr real: Germán Martínez, 58 Jahre, Lohnschreiber in Cali.

Tag für Tag sitzt Germán im Parque de los Poetas vor der Kirche la Ermita, im Zentrum der Stadt, unter einem rot-grün-blau-weißen Sonnenschirm und empfängt seine Kunden. Seine Handynummer hat er weithin sichtbar in großen schwarzen Ziffern auf den Schirm geschrieben. Mehr Werbung ist nicht, den Rest erledigt die Mund-zu-Mund-Propaganda.

„Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit erlaube ich mir, Ihnen mitzuteilen, dass…“: Die Escribanos von Cali schreiben offizielle Briefe für ihre Kunden, erledigen die Steuererklärung, helfen in juristischen Fragen. Anwälten oder Notaren aber sind sie nicht gleichgestellt. Die haben ein Studium abgeschlossen. Germán hat das Abitur.

„Wayúu-Männer sind faul. Aber meiner hilft beim Kochen.“

Aug 1
In einer Wayúu-Siedlung

In einer Wayúu-Siedlung

Sie dachten, ich sei auch Ärztin. Ich hatte mich an eine Gruppe von Medizinern drangehängt, fast alles Freiwillige, die durch die Guajira reist, um die Kinder der Wayúu zu behandeln. Wenn sie nicht in die Siedlungen der Wayúu kommen, gibt es niemanden, der sich dort um die Gesundheit der Leute kümmert.

Die Ärzte und ihr Team bei der Arbeit

Die Ärzte und ihr Team bei der Arbeit

Die Guajira ist eine gottverlassene Region. Eine Halbwüste, heiß, windig, ohne große Infrastruktur, und seit Jahren regnet es dort kaum. Der Wind wirbelt die Erde auf, und bis zum Ende des Tages hat sie sich überall festgesetzt: auf dem Gesicht, unter der Kleidung, im Mund, zwischen den Zähnen. Unmöglich, sie loszuwerden.

Fließendes Wasser gibt es natürlich nicht, die Brunnen sind 130 Meter tief und führen nur Brackwasser, und wer sauberes Wasser will, muss dafür stundenlang in sengender Hitze durch die Gegend wandern. Wer Glück hat, kann ein Maultier mitnehmen, das gleich ein paar volle Kanister transportiert. Wer Pech hat, besitzt kein Maultier und geht mehrmals selbst, oder gibt sich mit der brackigen Brühe des Brunnens in der Nähe zufrieden. Hier wachsen vor allem Kakteen und Bäume mit sehr dünnen, fedrigen Blättern. Je weiter man nach Norden kommt, desto dürrer sind sie, und desto grauer, wegen des Staubs.

Ich muss wiederkommen, sagt Camilo

Jul 28
Camilo, ein Mamo der Arhuaco

Camilo, ein Mamo der Arhuaco

Die Arhuaco leben in der Sierra Nevada de Santa Marta; dort, wo unmittelbar an der kolumbianischen Karibikküste Berge gründen, die sich auf kurzer Distanz bis zu einer Höhe von 5.775 Metern über dem Meer emporschwingen. Oben gibt es Schnee und Gletscher – in den Tropen. Unten gibt es Palmen, Hitze, Bananenstauden und Sandstrände.

Das ewige Gesetz, nach dem die Arhuaco leben: Sorge dafür, dass die Erde nicht aus dem Gleichgewicht gerät! Denn sie ist ein lebendiger Organismus, mit allen Lebewesen, die sie bewohnen. Wer sie verletzt, wer nicht nach den alten Regeln lebt, der schadet allen.

Ihre Kleidung ist Sinnbild dieses Auftrags, denn sie umhüllt die Arhuaco symbolisch mit der Natur, die es zu schützen gilt. Die Mütze steht für die Gletscher (die im Moment schmelzen). Überwurf, Gürtel, Hosen sind Symbol für die Vegetation der Berge. Die Sandalen versinnbildlichen den Übergang ins Meer.

Die Rollenverteilung ist strikt. Zum Beispiel in der Kleidungsproduktion. Die Männer weben, und sie häkeln die Mützen (die nur Männer tragen). Frauen häkeln die Beutel, in denen die Männer unter anderem geröstete Kokablätter und auch sonst alles Wichtige bei sich tragen. Koka ist nur für die Männer, aber den Frauen kommt die wichtige Aufgabe zu, die Blätter zu pflücken.

Kolumbiens Koka-Produktion wächst

Jul 11

Kolumbiens Bauern haben im vergangenen Jahr ihre Koka-Felder mächtig ausgebaut. Die Anbaufläche liegt jetzt insgesamt bei 96.000 Hektar, sagen die Vereinten Nationen. 2014 waren es noch 69.000 Hektar.

Schuld daran ist nicht unbedingt die große Nachfrage. Viele Bauern entscheiden sich für Koka, weil sie hoffen, dass Regierung und Farc-Guerrilla ihren Friedensvertrag bald unterzeichnen. Dann könnten die Behörden ihnen den Wechsel zu legalen Feldfrüchten mit Subventionen versüßen.

Die Koks-Corporation

Jul 17

„Die Koks-Corporation“ ist der Titel einer Sendung auf DRadio Wissen, für die der Kollege Sven Preger mich interviewt hat – sehr zu meiner Ehre und Freude.

Kein Trinkwasser für die Wayúu

Jul 8

Im Nordosten Kolumbiens herrscht Dürre. Kinder sterben am Wassermangel, und der Staat schafft es nicht, sie zu retten. Vertreter des indigenen Volkes der Wayúu prangern an: Ihr Volk werde ausgerottet, sagen sie. Vermutlich ist das übertrieben, denn die Zahl der Wayúu geht in die Hunderttausende. Wahr ist aber, dass vor allem sie unter der schweren humanitären Krise leiden.

Wer weniger Macht hat, verliert

Mai 1

Was macht ein gutes Leben aus? Status im Beruf, genügend Geld für eine schöne Wohnung und regelmäßige Urlaubsreisen? Die Möglichkeit zur Selbstentfaltung oder zum Engagement für andere?  Die eigene Gesundheit, das Wohlergehen von Familie, Nachbarn und Freunden?

Die indigenen Wayúu im Nordosten Kolumbiens brauchen nicht viel materiellen Besitz, um ein aus ihrer Sicht gutes Leben zu führen – aber sie bestehen auf grundlegenden Dingen, die eine kapitalistische Gesellschaft ihnen nicht zu gewähren bereit ist. Auf einen Fluss, um zu fischen. Land, um es zu bebauen; Wasser, um die Felder zu bewässern; und auf einen Wald, um zu jagen und essbare Pflanzen zu sammeln. Doch ihre Heimat befindet sich auf großen Steinkohlereserven. Und die kolumbianische Regierung versteht den Abbau der Kohle – vor allem auch für deutsche Kunden – als wesentliche Antriebskraft für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.

Es ist ein Konflikt zwischen zwei Weltanschauungen. Wie er ausgeht, ist auch den Bewohnern der deutschen Braunkohlereviere klar.