Juan Manuel Santos und der Dritte Weg
In Europa redet keiner mehr vom famosen Dritten Weg, den einst Tony Blair und Gerhard Schröder beschreiten wollten. In Deutschland hat das vermutlich auch mit den ungeliebten Hartz-Reformen Schröders zu tun. Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos aber holt das alte Konzept jetzt wieder aus der Mottenkiste.
Eine Wette auf den Frieden
Empfehlung: Al Jazeera hat einen guten Überblick über die möglichen Folgen von Juan Manuel Santos‘ Wiederwahl:
Juan Manuel Santos bleibt Kolumbiens Präsident
Bis zum letzten Moment sah es so aus, als würde der Rechtsaußen Óscar Iván Zuluaga gewinnen. Als die Wahllokale um vier Uhr nachmittags schlossen und die ersten Stimmen ausgezählt waren, lag er sogar noch ziemlich deutlich vorne. Aber nach einer halben Stunde drehte plötzlich die Tendenz. Amtsinhaber Juan Manuel Santos zog an Zuluaga vorbei, und er hielt seinen knappen Vorsprung bis zum Schluss.
Kolumbien wählt
Deyanira Rodriguez – lange schwarze Haare, feine Gesichtszüge, offener Blick, Mutter dreier Kinder – ist eine selbstbewusste Frau mit einer harten Geschichte. Einer Geschichte, die in Kolumbien aber nicht ungewöhnlich ist. Millionen andere haben Ähnliches durchgemacht.
Deyanira stammt sie aus der Departement Arauca, im Osten des Landes. Ihre Familie lebte auf dem Land, aber sie wurden von Bewaffneten vertrieben. Mit ihrer Mutter, Geschwistern und zwei Kindern – das dritte war noch nicht geboren – floh Deyanira ins Departement Norte de Santander. Um die Familie durchzubringen, ackerte sie als Hilfsarbeiterin auf dem Bau. Heute hat sie eine neue Familie gegründet. Und sie hatte Glück: Unter den vielen Tausend Vertriebenen der Region gehörte sie zu den wenigen, die für den verlorenen Besitz entschädigt wurden.
Frieden schließen, aber schnell
Es scheint, als rechne Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos selbst nicht mehr damit, am kommenden Sonntag wieder ins Amt gewählt zu werden. Wie sonst ließe sich die Geschwindigkeit erklären, mit der er die Friedensgespräche mit der FARC vorantreibt? Heute verkündete seine Regierung den nächsten Schritt: Sie verhandelt ab sofort auch offiziell mit der kleineren Guerilla ELN.
Anerkennung für die Opfer des Bürgerkriegs
Erstaunlich, wie schnell das plötzlich geht. Eine Woche vor der entscheidenden Runde der Präsidentschaftswahl haben sich die Unterhändler von kolumbianischer Regierung und FARC-Guerilla in einem weiteren Punkt geeinigt. Beide Parteien erkennen ihre Verantwortung für die Opfer des Bürgerkriegs an; und sie bekräftigen den Anspruch der Opfer auf Aufklärung, Entschädigung, Gerechtigkeit und Teilhabe am Friedensprozess.
Mein Taxifahrer wählt Uribe
Eine Politik gegen die Ungleichheit
Thomas Piketty ist so etwas wie der Popstar unter den zeitgenössischen Ökonomen, und in Lateinamerika, wo der Wohlstand außergewöhnlich ungleich verteilt ist, finden seine Thesen besonders viel Zustimmung. Doch aus Chile kommt jetzt Widerspruch – und nicht etwa von rechts. Pikettys Kritiker ist ein Politiker und Ökonom, der sich selbst eine gerechtere Gesellschaft wünscht. Die Einkommensverteilung in Lateinamerika sei „auf skandalöse Weise ungleich“, schreibt Andrés Velasco in einem Text für die Meinungsseite Project Syndicate. Nur tauge die Politik, die Piketty vorschlage, nicht dazu, das zu verbessern.
Uribe und der ewige Krieg
Einer der stärksten Kommentare zur Wahl in Kolumbien kam gestern abend von Marta Ruiz, Kolumnistin der Wochenzeitung Semana. Sie sieht durch den Sieg von Álvaro Uribes Kandidat Óscar Iván Zuluaga den Friedensprozess in ernster Gefahr. Uribe betreibe eine Politik des „ewigen Krieges“, schreibt sie – und zwar aus reinem Eigennutz.