Was für ein Friede ist das? In Kolumbien sind seit Beginn der Umsetzung des Friedensvertrags 55 lokale Aktivisten ermordet worden – genau jene Menschen also, die sich dafür einsetzen, dass der Friede in ihren Heimatdörfern Realität wird, und dass auch die Armen und Benachteiligten etwas von ihm haben. Vielleicht waren es auch noch mehr Morde. Das Portal Pacifista jedenfalls hat 55 Fälle dokumentiert.

Zuletzt starb Miguel Pérez aus dem Ort La Unión im Departement Antioquia. Er hatte sich gegen den Koka-Anbau engagiert und dafür, dass die Bauern die illegale Pflanze jetzt, in Friedenszeiten, durch legale Feldfrüchte ersetzen sollten.

Die Koka-Substitution ist ein zentraler Punkt des Friedensvertrags. Doch weil das Geschäft mit dem Kokain so viel Geld einbringt, gibt es Kräfte, die davon nicht lassen wollen und ihre Profite mit Gewalt verteidigen. Und gerade in den Regionen, in denen bislang viel Koka angebaut wird, haben manche Gruppen der Farc-Guerilla ihre Waffen gar nicht erst abgegeben – oder sie haben erst in den vergangenen Tagen entschieden, wieder zu den Waffen zu greifen. Anderswo hat sich die Farc zwar zurückgezogen, aber andere illegale Gruppen – Paramilitärs – besetzen statt ihrer das Terrain, ohne dass die Staatsmacht groß etwas dagegen täte.

Es sterben nicht nur Aktivisten. Am fünften Oktober kamen in Tumaco mehrere Campesinos ums Leben, als sie gegen die Zerstörung von Kokafeldern durch die Regierung protestierten. Tumaco gilt als der Ort mit dem meisten Koka-Anbau im Land. Wenig später starben dort zwei Indigene vom Volk der Awa, umgebracht von Unbekannten. Am 18. Oktober wurde, ebenfalls in Tumaco, José Jair Cortés ermordet. Er hatte sich für das Koka-Substitutionsprogramm eingesetzt. Dass er umgebracht werden würde, war abzusehen, schrieb Pacifista: „Estaba cantado“.

Seit der Friedensvertrag in Kraft trat, wurden in Kolumbien nicht mehr so viele Menschen umgebracht wie im Oktober. Pacifista zählte 23 Tote in 23 Tagen. Es scheint, als könne – oder wolle – die kolumbianische Regierung die Sicherheit der Menschen im Land nicht garantieren. Die Vereinten Nationen haben sie deshalb schon vor einem Monat gerügt: Sie lobten zwar, dass für den Friedensprozess neue Gesetze, Verordnungen und Büros geschaffen worden seien. Doch eine praktische Wirkung hätten diese bisher kaum entfaltet.