Keine drei Tage ist es her, dass sich FARC und kolumbianische Regierung auf ein gemeinsames Vorgehen gegen den Kokaanbau und Kokainschmuggel im Land geeinigt haben, da wird klar: Die Mafia ist längst dabei, ihr Geschäft zu verlagern. Im Moment scheint Argentinien den Narcos offenbar besonders verheißungsvoll.

Die regierungsnahe Tageszeitung El Tiempo aus Bogotá berichtete an diesem Wochenende aus der argentinischen Hafenstadt Rosario. Seit Monaten ist Rosario in den Schlagzeilen, weil sich dort Drogenbanden immer wieder Schießereien liefern – der Kollege Ignacio de los Reyes zum Beispiel schrieb im April in einer eindrucksvollen Reportage (eigene Übersetzung):

In einem Viertel, in dem die Zukunftsaussichten und die Hoffnung knapp sind, bekommt der die Macht, den Ruhm und die Frauen, der den Dingen die Stirn bietet.

Wer sich mit Gewalt durchsetzt, heißt das im Klartext. De los Reyes schreibt:

„Auf der Straße hat der das Sagen, der kämpft. Und wenn Du nicht kämpfst, bist Du ein Idiot“, sagt der 21jährige Claudio. (…) „Hier schießen sie aufeinander und lassen uns nicht spielen. Dann müssen wir ins Haus gehen“ erzählt die 11jährige Cecilia, die bis vor kurzem mit neun Geschwistern in einem Armenviertel der Stadt lebte. (…)

Die Jüngsten scheinen am wenigsten zurückhaltend, über die Gewalt zu reden. Denn die Erwachsenen sind „blind, taub und stumm“, sagt Ana Gioppo, eine Händlerin aus der Gemeinde Nuevo Alberdi. Niemand will die Schüsse oder die Schreie hören, … niemand will die Luxusjeeps sehen, die mit Einbruch der Nacht kommen. Und vor allem wollen nur wenige anklagen, was passiert, in einer Gemeinde, in der eine Anzeige härter bestraft wird als das Delikt.

Vermutlich hat nicht alle Gewalt mit dem Drogengeschäft zu tun. Dennoch hat sich Rosario zu einem Hotspot entwickelt. Für die Mafia ist die Stadt ein perfekter Standort: Internationale Straßen führen von hier aus nach Bolivien und Paraguay, und der Hafen ist einer der größten in Südamerika.

Mittlerweile soll die Zahl der Toten in Rosario auf 109 gestiegen sein, obwohl seit April Tausende Spezialkräfte der Militärpolizei in der Stadt sind, um die Gewalt einzudämmen. Sie kamen im Geheimen, denn die Chefs der lokalen Polizei stehen El Tiempo zufolge unter dem Verdacht, korrupt zu sein und mit der Mafia im Bunde zu stehen.

Wie die Zeitung berichtet, gibt es in Argentinien immer mehr Kokain- und Methamphetaminlabors. Das Rohmaterial kommt aus Bolivien, Peru und Kolumbien, die Ware geht nach Mexiko. Und es gibt kolumbianische Capos, die angeblich mittlerweile in Argentinien Zuflucht gesucht oder zumindest ihre Familie und ihr Vermögen dort in Sicherheit gebracht haben.

Eine anschauliche Übersicht ihrer Geschäfte in Infografikform hat die mexikanische Tageszeitung El Universal am Wochenende veröffentlicht.

Der Fall Rosario zeigt, wie sehr sich die Kartelle mittlerweile zu internationalen Netzwerken der Organisierten Kriminalität entwickelt haben. Daraus folgt: Das am Freitag geschlossene Abkommen mit der FARC kann vielleicht Kolumbien helfen. Aber das weltweite Drogengeschäft wird dadurch nicht trockengelegt.