Am Wochenende hieß es noch, schon im Februar könnte Joaquín „El Chapo“ Guzmán vom mexikanischen Hochsicherheitsgefängnis Altiplano in eine US-Anstalt überstellt werden. Von dort wäre eine Flucht wohl kaum mehr möglich; weder durch Tunnel noch mit der Hilfe bestochener Wächter. Und auch das Leben im Gefängnis wäre für den Mafiaboss deutlich weniger angenehm. Aus mexikanischen Hochsicherheitsgefängnissen ist überliefert, dass El Chapo sich regelmäßig Prostituierte kommen ließ und mit seinen Getreuen Kinoabende veranstaltete. Der Bestsellerautor Don Winslow hat das in seinem aktuellen Buch „Das Kartell“ sehr schön beschrieben.

Winslow glaubt nicht, dass Mexiko El Chapo jemals ausliefert. Guzmán habe hundert Millionen (Dollar) an Bestechungsgeldern gezahlt, twitterte der Autor. „Will Mexiko ihn wirklich in den USA haben, wo er plaudern könnte?“ Er glaubt auch nicht an die offizielle Geschichte von Guzmáns Festnahme. Winslow fragt: Wenn Sean Penn den Mafiaboss besuchen konnte und dabei sogar überwacht wurde, wie mexikanische Medien jetzt berichten: Warum nahm die Regierung Guzmán dann nicht sofort fest? Und wenn fünf von El Chapos Männern während der Schießerei, die angeblich zur Festnahme führte, gestorben sind: Warum zeigt das offizielle Video der Festnahme nichts davon, und warum sind am Gebäude, in dem alles passierte, keine Einschusslöcher zu sehen?

Klingt alles sehr verschwörungstheoretisch. Aber dass die mexikanischen Behörden in großen Teilen mit im Drogensumpf stecken, scheint klar. Ebenso deutlich zeigt sich schon jetzt, wenige Tage nach der Festnahme, dass es mit der Auslieferung nicht so schnell gehen wird. Bis El Chapo in die USA überstellt wird, könne es ein Jahr oder länger dauern, sagten die mexikanischen Behörden am Montag. Vom Februar war plötzlich nicht mehr die Rede.

In einem Jahr aber kann viel passieren. Wer mehr wissen will: Die New York Times hat einen guten Überblick über die Details des Auslieferungsverfahrens. Und in der mexikanischen Zeitschrift Proceso kommt El Chapos Mutter zu Wort: „Gott will nicht, dass (mein Sohn) im Gefängnis sitzt. Deshalb gibt er ihm die Mittel, um auszubrechen. Die Regierung versteht das nicht“, sagt Consuelo Loera Pérez.

Ganz egal, ob mit Gottes oder der Menschen Hilfe: Es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass El Chapo zum dritten Mal ein Ausbruch gelingt.